Onegins tragischer Freund, der Dichter Lenski, wird mit herzzerreißender Zerbrechlichkeit von Taras Semenov verkörpert, der erst vor kurzem in der Don Giovanni-Produktion der Musikhochschule als ein schwärmerischer Ottavio zu erleben war. Der Sängerdarsteller küsst in Piros Konzept bei der verzweifelt-wütenden Herausforderung seines Freundes Onegin zum Duell in einer Art homosexueller Übersprunghandlung diesen auf den Mund und erfährt Onegins ganze homophobe Brutalität. Er wird vor den anderen Jugendlichen von Onegin blutig geschlagen. Semenov gelingt eine erschütternde Darstellung dieses grausamen Momentes unter schonungslosem, an die Grenzen gehenden Einsatzes seiner stimmlichen und darstellerischen Fähigkeiten. Es kommt noch schlimmer: in der Duellszene erschießt er sich schließlich selbst, nachdem klar wird, dass Onegin den Wehrlosen einfach abzuknallen bereit ist. Seine große lyrische Arie wird zu einem der Höhepunkte der Aufführung, wobei auch hier die außerordentlich sensible Videokunst die Szene mit einer einfühlsamen Sequenz wie aus seinem einsamen, traurigen Kindheitstraum umgibt.
16 Januar 2024 www.opera-online.com Achim Dombrowski: